Mittwoch, 15. September 2010

Wie schön, dass wir so special sind

Es gab mal eine Zeit, in der wir uns nicht durch ein Apple-Produkt definierten, indem es nicht als schick galt, sich einen Salat für acht Euro einzupfeifen oder den unglaublich einfallsreichen Beruf eines Bloggers auszuleben. Halten wir uns das Elend unserer Gesellschaft doch mal vor Augen: Wir haben uns "materalisiert".

Früher hat man es sich daheim mit einem schönen Buch gemütlich gemacht. Dann zog es einen in die kommerziellen Coffee-Shops, wo wir den ursprünglichen D-Mark-Preis nun für einen Latte Medium mit Bla und Blubs bezahlen müssen. Schmeckt zwar nicht anders als früher, ist aber heute natürlich etwas ganz tolles. So was gönnt man sich eben. Das gute alte Buch wurde mittlerweile auch durch ein i-Pad eingetauscht,schließlich möchte man up-to-date bleiben, mit dem Strom schwimmen und sich mit dieser affigen Hightech-Innovation brüsten.

Da sitzt man nun, mit seinem i-Pad, hört beim "Lesen" Musik mittels seinen i-Pods, schlürft seinen Kommerz-Kaffee, isst sein "vegi" Bio-Sandwich - danach verleibt man sich natürlich noch ein saftiges Steak ein, denn wirklich vegetarisch leben, oh nein, wo käme man dann denn hin. "Vegi" ist in und das nicht nur, seitdem sich die semi-talentierte Schauspielerin Neldel in der Werbung eines Süßwarenherstellers für vegetarisches Gummizeug stark macht.

In der Mittagspause mal schnell das Butterbrot, das man sich mit Liebe Zuhause belegt hat, zu verspeisen - undenkbar. Man begibt sich lieber mit oberflächlichen Bekanntschaften, die man via Zufallsprinzip oder dem "Wer bringt mir nun was?" zuvor ausgewählt hat und begibt sich nicht in irgendeine Kantine. Gott, wo kämen wir denn da hin, Glutamat-Fraß ist doch so 90er!

Nein, man flaniert in eine Suppenbar oder eine Boutique, die sich auf das Machen von Salaten beschränkt hat. Die Einrichtung - total hip, mega-puristisch und steril, da ist es einen egal, dass man seine wertvolle Freizeit auf einer Art Holzinstallation verbringt, die noch unbequemer ist, als der ungeliebte Bürostuhl.

Und da sind sie wieder, all die saucoolen Menschen mit ihren elektronischen Wundern, die ihnen ein besseres Leben bescheren sollen. Ein i-Pad ist heutzutage so was wie damals der Porsche eines Mannes. Eine bloße Penisprothese und für die Frau die gesponserten Kunsttitten vom Sugardaddy oder der junge Toyboy.

Na, schütteln Sie mit dem Kopf? Können Sie Ihren Augen bei diesen Zeilen nicht trauen?

Ich sage ja nicht, dass "früher" alles besser war, der Generation gehöre ich rein altersspezifisch schon gar nicht an. Klar ließ ich mich auch zu einer Zeit vom ach so genialen Mac Book Air faszinieren, ohne darüber nachzudenken, dass dieser Laufwerklose Apparat ja völlig sinnlos ist und nur der Egobalsamierung gilt.

Peinlich, diese Gesellschaft.

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