Donnerstag, 23. Juni 2011

Und, wie war ich?

Mathe mangelhaft, Englisch gut, Biologie ausreichend - das Elend Namens Noten begann schon zu Schulzeiten. Selbst unser vorlautes Mundwerk oder das Herumalbern im Deutschunterricht floss in die meist nicht wirklich objektive Bewertung der ach so geliebten Lehrer mit ein. Das Leben gleicht einer Casting-Show, egal ob im Job oder Privatleben, beim Vorstellungsgespräch oder ersten Date, irgendwann drückt einer von beiden auf den Buzzer oder zückt eine Karte, auf dem von 1 bis 10 die "Like"-Rate angezeigt wird. Und so ist es auch kaum verwunderlich, dass sich diverse Bewertungsforen in der wunderbaren weiten Welt des www großer Beliebtheit erfreuen.

Der Arzt war zu grob, die Sprechstundenhilfe zu miesepeterich? Kein Problem, ein Klick genügt und man kann seiner Meinung kundtun. Manchmal kommt es dabei sogar zu mehr oder minder lustigen Auseinandersetzungen unter Usern oder dem Arzt beziehungsweise des Edelitalieners mit der garstigen Bedienung selbst. Doch man selbst musste auch lernen Kritik einzustecken, warum nicht also auch die anderen? Die Freundin war heute mäßig aktiv (Note 4), der Becker von Nebenan ist die reinste Abzocke (glatte 6) und die Bar, ein echter Insider-Tipp, entpuppte sich als Location für Alleingebliebene Vollidioten (5-, die Drinks waren immerhin gut und davon gab es an dem Abend nicht wenig). Doch während man im wahren Leben eher vor der Ehrlichkeit zurück schreckt, treibt man es im Netz umso bunter. Den eigenen Namen als Pseudonym wählen? Gott bewahre, unter Dr. Wilde oder Bine1805 macht es doch doppelt so viel Spaß.

Unerkannt das machen, was sonst nicht ohne Schläge kassieren einhergeht, nämlich hemmungslos rumpöbeln. Rauslassen, was einem auf der Seele brennt, abkotzen, als ob es kein Morgen gäbe. Unter die Gürtellinie kloppen? Durchaus erwünscht! Auf den Äußerungen anderer rumreiten? Spaß pur. Sich die Maske beim grande Finale der Boshaft abnehmen? Niemals!

Öh, die Bar da drüben sieht aber ranzig aus, schreib ich doch gleich eine Rezension darüber. In diesem Künstlerschuppen da in der Nebenstraße bin ich zwar noch nie gewesen, aber die Leute, die davor sitzen, sehen immer so was von affig aus. Ich rezensiere es.

Doch nicht nur Menschen, Bars und Ärzte fallen unserem harten Urteil zum Opfer, sondern auch Pflegeprodukte und dekorative Kosmetik. Das Shampoo bereitete mir statt schönen Glanz einen Fettfilm am Haaransatz, das muss ich gleich der Community mitteilen und meine Sterne abgeben. Obwohl Daggy1990 auf das Shampoo schwört und Glorywory meine Kritik an dem Shampoo verstehen kann, bleibe ich bei meiner Meinung.

Objektivität? Fehlanzeige! Und schon sind wir wieder in der Schulzeit angelangt und kein Stück besser als die Kunstlehrerin, die die Kreativität mit einem Ausfall ehrte und Herrn - wie hieß der noch gleich - der einem trotz guter Leistung immer eine Note schlechter als verdient aufdrückte.

So und jetzt entschuldigt mich, ich muss noch den Beitrag von ThaWHO im Nachrichtenportal kommentieren und der Bar von letztens einen von sechs Sternen für ihre Gastfreundlichkeit verleihen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen